Nationalrat
Der Nationalrat, "die grosse Kammer", besteht aus 200 Politikerinnen und Politikern, welche alle 4 Jahre vom Volk gewählt werden. Je mehr Einwohner ein Kanton hat, desto mehr Sitze im Nationalrat darf er stellen.
Ständerat
Der Ständerat ist mit 46 Sitzen die "kleine Kammer", auch genannt "das Stöckli". Auch hier wählt das Volk die Vertreter alle 4 Jahre. Jeder Kanton hat 2 Mitglieder im Ständerat, bis auf 6 frühere Halbkantone, welche nur je 1 Mitglied haben.
Die Arbeit des Parlaments
Mitglieder des Nationalrats während einer laufenden Abstimmung
In der Regel sind beide Kammern voneinander unabhängig. Für Beschlüsse ist jedoch eine gemeinsame Übereinstimmung erforderlich. Bei Meinungsverschiedenheiten gibt es eine Schlichtungskommission, die versucht, einen Kompromiss voranzutreiben.
Viele Parlamentarier haben neben ihrem Mandat in der Politik noch einen weiteren Beruf. Ein durchschnittlicher Parlamentarier arbeitet 40% seiner Arbeitszeit an einem anderen Ort. Im Parlament sitzt deshalb nicht eine abgehobene Elite. Man spricht auch von einem Milizparlament.
Für Wahlen versammeln sich beide Kammern beim Nationalrat. In diesem Fall spricht man von der Vereinigten Bundesversammlung.
Im Normalfall treffen sich National- und Ständerat vier Mal im Jahr zur Session. Zudem können die Räte, voneinander unabhängig, Sondersessionen einberufen. Eine Session dauert drei Wochen.
Das Datum der nächsten Session steht hier
Aufgaben und Befugnisse
Die beiden Parlamentskammern haben die folgenden Befugnisse und Aufgaben:
Gesetzgebung
Das Parlament kann neue Gesetze beschliessen und bestehende anpassen.
Bundesbudget
Das Parlament entscheidet über die Höhe der Einnahmen und Ausgaben des Bundes.
Aussenpolitik
Das Parlament beteiligt sich an der Aussenpolitik und kann internationale Verträge genehmigen.
Kontrolle
Das Parlament kontrolliert die Bundesgerichte und die Verwaltung beim Ausführen ihrer Arbeit.
Wahlen
Das Parlament, beziehungsweise die Vereinigte Bundesversammlung, wählt den Bundesrat, den Bundespräsidenten, Bundesrichter sowie den Bundeskanzler.
Konflikte
Das Parlament entscheidet bei Zuständigkeitkonflikten, welche Behörde zuständig ist.
Aufbau des Rechtssystems
Verfassung
Die Verfassung ist die Grundordnung eines Staates, sie enthält die Grundregeln für das Zusammenleben und bildet die Grundlage für die Schaffung von Gesetzten. Änderungen an der Bundesverfassung müssen immer vom Volk und von den Ständen gutgeheissen werden.
Die Kantone haben auch noch eine Kantonsverfassung, welche der Bundesverfassung nicht wiedersprechen darf. Änderung der Kantonsverfassung muss wiederum von der Kantonsbevölkerung und vom National- und Ständerat gutgeheissen werden.
Gesetze
Das Gesetz ist eine vom Parlament erlassene, nähere Ausführung zu einer Verfassungsbestimmung. Das Gesetz enthält Rechte und Pflichten, Gebote und Verbote.
Auf Bundesebene wird ein Gesetz vom National- und Ständerat beschlossen. Das Volk kann mittels 50'000 Unterschriften oder 8 Kantone können danach freiwillig das Referendum ergreifen und eine Volksabstimmung erzwingen. Alleine das Volksmehr entscheidet, ob dieses Gesetz angenommen wird.
Auf Kantonsebene werden die Gesetze vom Kantonsparlament erlassen. Da dieses nur aus 1 Kammer besteht, erfordert es bei der Beratung eine 1. und eine 2. Lesung.
Auf der Gemeindeebene spricht man von Reglementen, welches Erlasse mit Gesetzescharakter sind.
Verordnungen
Verordnungen sind untergeordnete Erlasse und bedürfen einer gesetzlichen Grundlage.
Auf Bundesebene werden Verordnungen vom Bundesrat und in Ausnahmefällen vom Parlament selbst erlassen.
Auf Kantonsebene wird zum Begriff «Verordnungen» auch der Begriff «Dekret» verwendet.
Gewaltenteilung
Gewaltenteilung soll die Ansammlung von zu grosser Machtfülle in der Hand einer Person oder Institution verhindern, indem politische Gewalt auf verschiedene Institutionen verteilt wird, welche sich zumindest teilweise kontrollieren.
In der Schweiz erfolgt die Gewaltenteilung auf mehreren Ebenen:
- Auf Bundesebene werden drei Gewalten unterschieden: Legislative (National- und Ständerat), Exekutive (Bundesrat) und Judikative (Bundesgericht)
- Die Kantone teilen die Staatsgewalt ebenfalls unter Legislative (Kanton Zürich: Kantonsrat), Exekutive (Kanton Zürich: Regierungsrat) und Judikative (Kanton Zürich: Obergericht) auf
- Der Föderalismus garantiert, dass die staatlichen Kompetenzen auch zwischen dem Bund und den Kantonen aufgeteilt werden.
Auf Bundes- und Kantonsebene sind die Gewalten nicht streng getrennt, da die drei Gewalten vereinzelt auch Funktionen der anderen Gewalten übernehmen. Beispiele: Verordnungen des Bundesrates (= "legislativ"), die Bundesversammlung behandelt Beschwerden gegen den Bundesrat (= "Judikativ").
Aufgabenteilung zwischen Bund, Kantonen und Gemeinden
Gesetze und Ausführung Bund |
Gesetze Bund Ausführung Kantone |
Kantone |
Gemeinden |
Aussenpolitik |
Umweltschutz |
Kultur |
Wasser, Strom, Entsorgung |
Armee |
Tierschutz |
Heimatschutz |
Fürsorge |
Geld und Währung |
Hoch-/Mittel-/Berufsschulen |
Volksschule |
Volksschule |
Zölle |
Zivil- und Strafrecht |
Polizei |
Kirche |
Nationalstrassen |
|
Kantonstrassen |
Gemeindestrassen |
Wie entsteht ein Gesetz?
Damit aus einer Idee ein Gesetz wird, sind ziemlich viele Einzelschritte nötig. Dieser gesamte Ablauf wird auch als das parlamentarische Verfahren bezeichnet. Der ganze Prozess kann zum Teil Jahre dauern. Rekord hält ein Gesetz aus dem Jahre 1945 welches erst 60 Jahre später, also 2005, umgesetzt wurde.
1. Anstoss
...
Am Anfang steht natürlich die Idee zu einem neuen Gesetz. Theoretisch kann jede stimmberechtigte Person einen neuen Artikel vorschlagen. Parlamentarier können in einer Motion, einem Postulat oder einer parlamentarischen Initiative eine Idee lancieren. Am häufigsten gibt der Bundesrat den ersten Anstoss.
2. Entwurfsphase
...
Als nächstes wird ein erster Gesetzesentwurf erarbeitet, oft geschieht dies durch die Bundesverwaltung, welche durch Experten unterstützt wird.
3. Vernehmlassung
...
Um bereits möglichst früh einen Kompromiss voranzutreiben, wird der erarbeitete Entwurf den verschiedenen Kantonen, Parteien, Verbänden und Gruppierungen gezeigt. Alle haben die Möglichkeit, Stellung zu nehmen. Ist eine Gruppe unzufrieden, kann sie mit einem Referendum drohen. Dies entspricht der Idee der Konkordanz.
4. Botschaft des Bundesrates
...
Die verschiedenen Stellungnahmen werden bei der Überarbeitung des Gesetzesentwurfs beachtet. Der Bundesrat leitet den Gesetzesvorschlag an das Parlament und gibt gleichzeitig eine Empfehlung für oder gegen das Gesetz ab.
5. Parlamentarische Kommissionen
...
Eine Kommission mit Mitgliedern aus verschiedenen Parteien stellt den Vorschlag für das Gesetz dem National- und Ständerat vor. Innerhalb der Kommission werden die Gesetze vorberaten.
6. Eintretensdebatte
...
Beide Räte stimmen als erstes darüber ab, ob sie überhaupt über die Vorlage diskutieren wollen. Falls nicht, so wird das Geschäft an den Bundesrat zur Überarbeitung zurückgewiesen oder direkt versenkt.
7. Beratung in den Räten
...
Falls das Gesetz die Eintretensdebatte überlebt, so wird es getrennt im National- und Ständerat besprochen. Wenn sich die beiden Räte bei einigen Punkten nicht einig sind, so kommt es zu einem Differenzbereinigungsverfahren, man versucht also einen Kompromiss zu finden. Falls keiner gefunden wird, so erarbeitet eine Einigungskonferenz einen gemeinsamen Kompromiss.
8. Inkrafttreten
...
Vor dem Inkrafttreten des Gesetzes gibt es eine Frist für mögliche Referenden. Wenn innerhalb von 100 Tagen mindestens 50 000 Stimmberechtigte ein Referendum gegen das Gesetz unterschreiben, so kommt es zur Volksabstimmung. Ansonsten ist das Gesetz gültig.
9. Referendum
...
Falls ein Referendum zustande gekommen ist, so kommt es zur Volksabstimmung über das Gesetz. Stimmen mehr als 50% Wahlberechtigte für das Gesetz, wird es umgesetzt. Bei einigen Gesetzen kommt es auch ohne Referendum automatisch zur Volksabstimmung, beispielsweise bei Verfassungsänderungen oder Gesetzen, welche die internationale Rolle der Schweiz betreffen.
Parlamentarische Mittel
Jedes Mitglied im Parlament hat mehrere Werkzeuge zur Verfügung, um die Politik mitzugestalten. In der Regel werden die Gesetzestexte jedoch nicht von den Parlamentariern verfasst, sondern von Experten, welche die Ideen zu Papier bringen.
Hier sind einige der sogenannten Parlamentarischen Mittel:
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Parlamentarische Initiative
Die parlamentarische Initiative ist der Vorschlag eines National- oder Ständerates, ein Bundesgesetz oder die Bundesverfassung zu verändern. Eine Kommission prüft den Vorschlag und empfiehlt dem Parlament die Initiative zur Annahme oder Ablehnung.
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Motion
In einer Motion kann ein Mitglied der Räte vom Bundesrat verlangen, ein Gesetz zu einer bestimmten Idee zu erarbeiten. Die Motion ist für den Bundesrat nur dann verbindlich, wenn sie von beiden Kammern unterstützt wird.
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Postulat
Ein Postulat ist für den Bundesrat weniger verbindlich wie die Motion. Er muss dabei nur prüfen, ob es sich lohnt, einen Gesetzesentwurf zu erstellen, kann die Idee jedoch auch wieder verwerfen.
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Interpellation
Eine Interpellation kann als Frage an den Bundesrat oder an eine Bundesverwaltung gesehen werden. Darin können die Parlamentarier Informationen über die Aktivitäten dieser Organe verlangen. In der Regel wird darauf schriftlich geantwortet.
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Fragestunde
Zwei Mal pro Session haben die Parlamentarier Zeit, schriftliche Fragen an den Bundesrat zu stellen. Diese werden dann im Nationalrat, während maximal 90 Minuten, beantwortet.
Transparenz
Das Parlament hat gegenüber dem Volk die Verpflichtung, möglichst transparent und offen zu arbeiten. Auf den folgenden Webseiten lässt sich die Parlamentsarbeit beobachten:
Die Sitzungen der Räte sind öffentlich
Auszug: Schweizerische Bundesverfassung, Artikel 158
Parteienstärke von 2019-2023
Im Oktober 2019 wurden die neuen National- und Ständeräte vom Volk gewählt. Die gewählten Politiker werden für die nächsten 4 Jahre im Parlament tätig sein. Eine Mitgliedschaft ist zwar nicht zwingend, dennoch gehören fast alle Politiker einer politischen Partei an.
Das folgende Diagramm zeigt, wie stark die einzelnen Parteien in den beiden Kammern vertreten sind. Weitere Informationen zu den einzelnen Parteien gibt es hier
Legende
- Nationalrat
- Ständerat
Nicht verwechseln sollte man die beiden Begriffe Partei und Fraktion. Zu einer Fraktion gehören Mitglieder der selben Partei und Mitglieder von gleichgesinnten Parteien. Die einzelnen Fraktionsmitglieder beraten wichtige Themen zuerst innerhalb der Fraktion und versuchen sich auf eine gemeinsame Meinung festzulegen. Diese Meinung wollen sie dann nach Aussen vertreten.
So gibt es beispielsweise eine CVP-Fraktion, zu welcher aber auch Politiker aus der EVP gehören, ebenfalls aber auch eine Sozialdemokratische Fraktion, welche nur aus SP-Politikern besteht.