Grundprinzip

Föderalismus

Nicht alles ist in Bern geregelt!

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Die Schweiz ist ein Bundesstaat, also ein Staat, der wiederum aus vielen kleineren Teilstaaten besteht. Diese‚ kleinen Teilstaaten‘ sind natürlich die Kantone. Sie haben ein gewisses Mass an Selbständigkeit und auch eigene Gesetze. Diese Eigenständigkeit der Kantone und Gemeinden nennt man Föderalismus und ist ein sehr wichtiges Prinzip in der Schweiz. Vor dem Lesen dieser Seite empfiehlt es sich, die Seiten zu den drei Gewalten zu besuchen.

Grundgedanke


Die Schweiz wie ein Uhrwerk: Zusammenarbeit vieler kleiner Teile

Das Grundprinzip des Föderalismus ist die Übertragung von Aufgaben an kleinere Strukturen, damit dort die lokalen Interessen am besten berücksichtigt werden können. Gemeinden übernehmen lokale Aufgaben, Kantone übernehmen kantonale Aufgaben und der Bund übernimmt Aufgaben, die im Interesse aller liegen.

Das Ziel sind Gesetze und Reglemente, welche besser auf die lokalen Bedürfnisse passen. Gleichzeitig sollte es auch zu einer Konkurrenz zwischen den Kantonen und Gemeinden führen, zum Beispiel in Steuerfragen.

Der Föderalismus ist somit das Gegenteil zum
Zentralismus.

Subsidiaritäts-Prinzip

"Alles, was eine politische Ebene leisten kann, soll nicht von einer ihr übergeordneten Instanz übernommen werden. Erst wenn also zum Beispiel eine Gemeinde mit einer Aufgabe überfordert ist, hat der Kanton als nächst höhere Ebene die Pflicht, sie zu unterstützen."

Quelle: admin.ch

Kantone

In der Schweiz gibt es 26 verschiedene Kantone, oder auch „Stände“ genannt. Zusammen bilden sie die Schweizerische Eidgenossenschaft. Obwalden und Nidwalden, Basel-Stadt und Basel-Landschaft sowie Appenzell Ausserhoden und Appenzell Innerrhoden zählen als Halbkantone. Sie dürfen deshalb je nur einen Ständerat stellen (statt zwei) und ihre Standesstimme bei eidgenössischen Abstimmungen zählt nur zur Hälfte.

Damit mehrere Kantone untereinander gemeinsame Probleme lösen können, gibt es die sogenannten Konkordate, also Staatsverträge, welche die Kantone untereinander abschliessen können. Damit der Föderalismus nicht umgangen wird, müssen solche Verträge vom Bund bewilligt werden.


Die Kantonsgrenzen der Schweiz

Verhältnis zwischen Bund und Kantonen

Austritt

Ein Kanton kann nicht einfach so aus der Schweiz austreten, da dies in einem Bundesstaat militärisch verhindert würde. Ausnahme: Die anderen Kantone stimmen für einen Austritt.

Je nach Aufgabe wird diese vom Bund oder dem Kanton übernommen. In der Regel löst der Gesamtstaat Probleme, welche im Interesse aller Kantone liegen, wie der Kontakt zum Ausland oder die Währungspolitik. In den Kantonen werden Probleme wie das Schulwesen, die Polizei oder Steuern individuell gelöst. Deshalb hat jeder Kanton auch eine eigene Verfassung.

Die Kantone sind also nicht uneingeschränkt selbstständig. Grundsätzlich stehen die Gesetze des Bundes über denjenigen der Kantone. Man spricht vom Bundesrecht und vom kantonalen Recht.

Die Kantone sind souverän, soweit ihre Souveränität nicht durch die Bundesverfassung beschränkt ist […]

Auszug aus der Schweizerischen Bundesverfassung, Artikel 3

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Gemeinden

In der Schweiz existieren knapp 2300 Gemeinden. Es werden aber immer weniger, denn viele kleinere Gemeinden schliessen sich zu einer grösseren Gemeinde zusammen, um den Verwaltungs- und Regierungsaufwand zu reduzieren. Dies ist natürlich auch eine Folge des Föderalismus, man spricht hier von Gemeindefusionen.

Dieses Diagramm zeigt, wie die Anzahl der Gemeinden im Laufe der Zeit stetig abgenommen hat:

Auch die Gemeinden haben eine gewisse Selbstständigkeit, die Gemeindeautonomie genannt wird. Jede Gemeinde hat eine eigene Gemeindeordnung, wo sie die lokalen Spielregeln vorgeben darf, sofern diese nicht von Kanton oder Bund geregelt werden.


Die Gemeindegrenzen der Schweiz

Zusammenfassung

Bund, Kantone und Gemeinden haben je eine eigene Judikative, Exekutive und Legistlative. Die folgende Darstellung zeigt eine Übersicht der Gewalten. Dabei gilt stets: Eine Gewalt auf Bundesebene hat mehr Macht als diejenige auf Kantonsebene und eine Gewalt auf Kantonsebene hat mehr Macht als diejenige auf Gemeindeebene.

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Vor- und Nachteile des Föderalismus

Der Föderalismus ist in der Schweiz sehr wichtig, weil der Staat sehr heterogen zusammengesetzt ist: Durch die 4 Landessprachen, aber auch durch die grossen geografischen Unterschiede, würde es keinen Sinn machen, alles zentral zu regeln. Der Föderalismus erleichtert also das Zusammenleben. Doch der Föderalismus hat auch seine Nachteile:

Pro

  • Lokale Bedürfnisse können besser beachtet werden
  • Schutz von Minderheiten
  • Gemeinden und Kantone können ihre Interessen einbringen
  • Mehr Wettbewerb von Kantonen und Gemeinden
  • Verhinderung von zu viel Machtanhäufung
  • Das Volk kann seine Kontrollfunktion besser wahrnehmen
  • Einfachere Anteilnahme der Bürger

Kontra

  • Die vielen lokalen Regelungen sind unübersichtlich
  • Hoher Regierungsaufwand
  • Viele Strukturen
  • Wohnortwechsel wird erschwert
  • Kann zu Ungerechtigkeit führen (Unterschiedliche Schulsysteme, Steuern)
  • Teuer
  • Der Staat arbeitet langsam

Debatte über den Föderalismus

Der Föderalismus befindet sich ständig im Wandel. Das Grundprinzip ist zwar in der Bundesverfassung verankert, im Kleineren gibt es aber immer wieder Diskussionen um die Verteilung der Kompetenzen. Regelmässig gibt es Abstimmungen, welche zu mehr oder weniger Föderalismus führen. Beispiele sind, das einheitliche Rauchverbot in Restaurants, welches vom Schweizer Stimmvolk angenommen wurde, aber auch die Einheitskrankenkasse, welche nicht zu Stande kam.

Die SRF-Radiosendung Espresso zeigte 2009 schön, wie weit der Föderalismus gehen kann, am Beispiel "Rauchverbote". Mittlerweile kennt die Schweiz ein einheitliches Rauchverbot - ein Beispiel für den Wandel des Föderalismus.

Ausbau der direkten Demokratie

Warum haben wir auf Bundesebene nur die Verfassungsinitiative, nicht aber die Gesetzesinitiative? So hat das Parlament einen sehr grossen Spielraum, wenn es angenommene Volksinitiativen, die ja immer recht allgemein gehalten sein müssen, umsetzt. Für viele ist die Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative ein Beispiel für diesen Missstand. Und warum können wir nur gegen Gesetze und allegemeinverbindliche Bundesbeschlüsse, nicht aber gegen gewisse einfache Bundesbeschlüsse wie Finanz- ("dafür geben wir 5 Mia. Sfr. aus") und Planungsbeschlüsse ("da bauen wir eine Autobahn") das Referendum ergreifen, obwohl diese eine viel grössere Tragweite haben als beispielsweise ein Beschluss zu den Zuckerrübenpreisen? Und wären niedrigere Unterschriftenzahlen für Referenden und Initiativen nicht gleichbedeutend mit mehr Demokratie, da so nicht nur finanzkräftige Gruppierungen solche direktdemokratischen Mittel ergreifen könnten? Gegner des Ausbaus der direkten Demokratie argumentierten:

  • es komme so zu einer Abstimmungsflut;
  • Gesetzesinitiativen und Beschlussreferenden wären inhaltlich so anspruchsvoll, dass sie die normalen StimmbürgerInnen gar nicht mehr ohne Hilfe von (finanzkräftigen) Interessengruppierungen verstehen könnten und so die Macht von letzteren wächst;
  • mehr direktdemokratische Instrumente schmälern immer auch die Macht des Parlamentes, und das wolle man nicht.

Der Röstigraben

In den Medien wird nach Abstimmungsresultaten oft von einem Röstigraben gesprochen. Damit ist das Abstimmungsverhalten der Deutschschweizer und Romands gemeint, welches sich häufig voneinander unterscheidet. Der Graben liegt also exakt auf der Sprachgrenze.

Die französischsprachige Schweiz ist dem Ausland gegenüber eher offener gestimmt und im Schnitt eher für mehr staatliche Regulierungen.

Ein Beispiel für den Röstigraben zeigte die Ausschaffungsinitiative der SVP von 2010, welche von der französisch-sprachigen Schweiz eher abgelehnt wurde. (Die Initiative wurde insgesamt mit 53% Ja-Stimmen angenommen.)


Abstimmungsresultat der Ausschaffungsinitiative

In letzter Zeit hat der Röstigraben gefühlt etwas abgenommen, dafür sind die Unterschiede zwischen den ländlichen und den urbanen Gebieten gestiegen.