Judikative:

Gerichte

Wer macht die Rechtsprechung?

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Bei den Gerichten in der Schweiz gibt es verschiedene Stufen: So wird zwischen der kantonalen und der eidgenössischen Ebene unterschieden. Die eidgenössischen Gerichte, unter anderem das Bundesgericht, sind den kantonalen Gerichten übergeordnet. Somit kommt auch in der Justiz der Föderalismus zur Geltung. Die Judikative ist ein riesiges Thema. Wir haben hier versucht, das Ganze etwas zu vereinfachen und anschaulicher aufzuzeigen.

Jede Person, deren Sache in einem gerichtlichen Verfahren beurteilt werden muss, hat Anspruch auf ein durch Gesetz geschaffenes, zuständiges, unabhängiges und unparteiisches Gericht.

Artikel 30, Absatz 1, Schweizerische Bundesverfassung

Prozessarten

In der Judikative wird zwischen drei verschiedenen Prozessarten unterschieden. Je nach Fall kommen andere Spielregeln und Gerichte zum Zug.

  • Strafrecht

    Beim Strafrecht hat der Staat als Ankläger eine sehr aktive Rolle. Dies geschieht bei Delikten wie Gewalttaten, Drogenmissbrauch, bei der Überschreitung von Verkehrsregeln oder ähnlichen Fällen. Der Staat verfolgt die Täter, um andere Bürger vor ihnen zu schützen.

    Gesetzliche Grundlagen: Strafgesetzbuch (StGB), Strassenverkehrsgesetz
    Parteien: Staatsanwaltschaft (Anklägerin) und Beschuldigter
    Beweislast: Staatsanwaltschaft

  • Zivilrecht

    Wenn sich Private gegenseitig verklagen, wird von einem Zivilprozess gesprochen. Private können sowohl natürliche Personen als auch Unternehmen sein. Oft sind Verträge oder Geschäftsbeziehungen Grund für den Streit. Doch auch das Ehe- und Erbrecht wird durch den Zivilprozess umfasst.

    Gesetzliche Grundlagen: Zivilgesetzbuch (ZGB), Obligationenrecht (OR), Strassenverkehrsgesetz
    Parteien: Kläger und Beklagter
    Beweislast: Kläger

  • Verwaltungsrecht

    In Verwaltungsprozessen streiten sich verschiedene Verwaltungseinheiten oder ein Bürger mit dem Staat. Deshalb ist es wichtig, dass die Justiz so unabhängig wie möglich ist, damit auch der Schutz des Bürgers vor dem Staat sichergestellt werden kann. Oft kommt es zu Streitigkeiten, wenn ein Bürger nicht mit den Entscheiden einer Behörde einverstanden ist. (Zum Beispiel bei Bau- oder Steuerfragen)

    Gesetzliche Grundlagen: Diverse
    Parteien: Beschwerdeführer und Beschwerdegegner
    Beweislast: In der Regel der Staat oder zuständige Behörde

Der Instanzenweg

Die folgenden Darstellungen zeigen, wie die verschiedenen Prozesse grob ablaufen. Die Grafik ist etwas vereinfacht, besonders auf kantonaler Ebene gibt es sehr viele verschiedene Gerichte mit unterschiedlichen Namen. Es kommt also immer darauf an, in welchem Kanton das gerichtliche Verfahren durchlaufen wird.

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Bezirks - / Kantonale Ebene

In den meisten Fällen beginnt ein Prozess also nicht beim Bundesgericht, sondern bei einer lokalen Instanz.

In vielen Fällen wird als erstes ein Friedensrichter aufgesucht, welcher häufig nur auf Gemeindeebene tätig ist. Ist eine Partei mit dem Urteilsvorschlag nicht einverstanden, so wird der Fall an die erste kantonale Instanz weitergezogen. Diese Gerichte haben dann je nach Umgebung ganz verschiedene Namen, zum Beispiel Bezirksgericht, Regionalgericht oder Kreisgericht. An zweiter Instanz steht das Kantons- oder Obergericht. Weiter existieren viele Spezialgerichte wie das Jugend- oder das Mietgericht.

Bundesebene

Auf der Ebene des Bundes steht das Bundesgericht mit Sitzen in Lausanne und Luzern, das Bundesstrafgericht in Bellinzona, das Bundesverwaltungsgericht sowie das Bundespatentgericht in St. Gallen. Das Bundesgericht ist dabei die letzte Instanz in der Schweiz und es steht über allen anderen Gerichten.

Das Bundesgericht

Das Bundesgericht ist die oberste rechtsprechende Behörde des Bundes

Artikel 188, Absatz 1, Schweizerische Bundesverfassung


Bundesgericht in Lausanne


Bundesgericht in Luzern

Die Urteile des Bundesgerichts sind endgültig. Beurteilt werden in der Regel Beschwerden gegen Urteile anderer Gerichtsinstanzen, in speziellen Fällen ist es auch möglich, das Bundesgericht als erste und endgültige Instanz anzurufen. Oft schaffen die Urteile des Bundesgerichts Klarheit in rechtlichen Grauzonen und werden deshalb regelmässig in den Medien veröffentlicht und in der Öffentlichkeit diskutiert. Das Bundesgericht überwacht die Anwendung der eidgenössischen Gesetze durch die unterstellten Gerichte und schützt somit die Rechte der Bürger.

Ein Bundesgericht besteht aus 35 bis 45 vollamtlichen Richter. Diese werden jeweils alle 6 Jahre von der Vereinigten Bundesversammlung neu gewählt.

Die weiteren Gerichte auf Bundesebene

Strafgericht

Das Bundesstrafgericht mit Sitz in Bellinzona ist gegliedert in eine Straf- und eine Beschwerdekammer. Dieses Gericht ist die Vorinstanz des Bundesgerichts in Fragen des Strafrechts.

Verwaltungs-
gericht

Im Bundesverwaltungsgericht werden Beschwerden beurteilt, welche sich gegen Verfügungen von Behörden richten. Das Gericht kann auch kantonale Entscheide überprüfen. Das Gericht wird nach einer Klage aktiv.

Patentgericht

Bei Streitereien zu Patentfragen ist das Bundespatentgericht zuständig. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn jemand ein fremdes Patent verwendet, um damit Geld zu verdienen. Hier entscheides das Gericht als erste Instanz des Bundes.

Föderalismus

Bei der Wahl der Richter durch die Vereinigte Bundesversammlung wird darauf geachtet, dass bei der Verteilung der Sitze alle Sprachen, Parteien und Kantone gerecht behandelt werden. Die grossen Parteien dürfen die Mehrheit der Richter stellen. Viele Richter arbeiteten zudem zuvor bei einem kantonalen Obergericht.

Transparenz

Gerichtsverhandlung und Urteilsverkündung sind öffentlich

Artikel 30, Absatz 3, Schweizerische Bundesverfassung

Ähnlich wie bei den anderen Gewalten ist auch bei der Judikative die Transparenz ein wichtiges Thema. So wird sichergestellt, dass die Gerichte wirklich fair und unabhängig arbeiten. Alle wegweisenden Entscheide des Bundesgerichts werden beispielsweise in einer digitalen Sammlung der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. So kann jedermann die Gerichte kontrollieren.

Zu den Urteilen

Rechtsmittel

Ein Rechtsmittel ist die Möglichkeit, ein gefälltes Urteil anzufechten, um dieses von der nächsten Instanz beurteilten zu lassen.

  • Berufung

    -> im Straf- und Zivilprozess

    Bedingung: Die betroffene Geldsumme im Zivilprozess muss höher als CHF 10'000 sein.

    Durch eine Berufung wird geprüft, ob die Instanz den Fall umfassend und korrekt beurteilt hat und ob das Recht richtig angewendet wurde.

  • Beschwerde

    -> Zivilprozess

    Bedingung: Die betroffene Geldsumme im Zivilprozess muss höher als CHF 10'000 sein.

    Der Sachverhalt kann nur mit einer Beschwerde angefochten werden, wenn ganz offensichtlich Fehler stattgefunden haben, somit unterscheidet sich die Beschwerde auch von der Berufung.

  • Revision

    -> Alle Prozessarten

    Bedingung: Neue Tatsachen oder Beweise

    Wenn nach Abschluss eines Verfahrens neue Tatsachen und Beweise auftauchen, so wird der Fall neu aufgerollt und eine neue Beurteilung vorgenommen. Dies geschieht bei der letzten Instanz, die ein Urteil gefällt hat.

Landesrecht vor Völkerrecht?

Wenn man sagt, dass das Bundesgericht immer das letzte Wort hat, so entspricht dies nicht ganz der Wahrheit. Es kann vorkommen, dass die Entscheide des Bundesgerichts durch ein internationales Gericht wie dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte aberkannt werden. Für Aufsehen sorgte beispielsweise der Fall eines SRF-Mitarbeiters, der vom Bundesgericht für das Filmen mit versteckter Kamera für eine Konsumentensendung verurteilt wurde. Das Urteilt wurde später vom Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte gekippt, weil dieser das öffentliche Interesse an den Aufnahmen höher gewichtete, als die Verletzung der Privatsphäre, welche der Journalist begangen hat. Auch in Asylfragen wird die Schweiz hin und wieder verurteilt, wenn es um umstrittene Ausschaffungen geht. Insgesamt gewinnt die Schweiz jedoch die meisten Fälle.

Durch diese „fremden Richter“ sieht die SVP die Souveränität der Schweiz gefährdet. Seit 2015 sammelt die Partei deshalb Unterschriften für ihre „Selbstbestimmungs-Initiative“, welche das schweizerische Recht vor das Völkerrecht stellen will. In der Initiative heisst es «Die Bundesverfassung ist die oberste Rechtsquelle der Schweizerischen Eidgenossenschaft.»


Der SVP ein Dorn im Auge: Strassburger Gerichtshof

Das Völkerrecht regelt die Beziehungen zwischen den Staaten und umfasst ein ganzes Paket aus internationalen Verträgen und Übereinkommen. Mehr zum Begriff Völkerrecht gibt es auf der folgenden Seite:

Mehr Informationen zum Völkerrecht

Beim zwingenden Völkerrecht wie dem Verbot von Folter oder Völkermord will die Partei jedoch eine Ausnahme machen.

[…] wenn ein Vertrag sich in eine Richtung entwickelt oder eine Organisation Dinge beschliesst, die das Schweizervolk nicht mehr will, dann geht dieser Wille vor.

Hans Ueli Vogt (SVP), massgeblich an der Ausarbeitung der Initiative beteiligt

Alle anderen grossen Parteien halten die Initiative für «untolerierbar für die Menschenrechte und unvereinbar für den Standort» und kämpfen dagegen.

Diese Initiative ist sehr gefährlich. Sie nimmt dem Bürger die Möglichkeit, seine Grundrechte durchzusetzen.

Daniel Jositsch (SP), Gegner der Initiative

Auszug aus der Sendung Rendez-vous zur Initiative